einmal Rund um Wuppertal 2004
persönlicher Erlebnis- und Rennbericht über eine aussergewöhnliche Laufveranstaltung, von Oliver Seyffert

der 8Uhr-Start
Sonntag 11.07.2004 7:59. Mit quietschenden Reifen schaffe ich es gerade noch zum Start. Kurz hinter der Startlinie auf den Bürgersteig, rausgesprungen, noch ein paar Leute abklatschen und grüssen, unseren Startläufern für die Mixed- und die Männerstaffel noch kurz Alles Gute gewünscht, schnell noch ein Foto geschossen. Um 08:00 rennen dann alle los. Fast hätte ich den Start der Staffel "Rund um Wuppertal" verpasst, dem traditionsreichen Lauf über 105km mit 10 Läufern durch sehr anspruchsvolles, bergiges Gelände.

»Tour de France
an einem Tag«
Noch ein paar Worte mit anderen Betreuern gewechselt, hektisch im Laufen zwischen den Wagen zugerufen, und dann ab zum ersten Betreuungspunkt. Der Rund um Wuppertal-Reigen hatte wieder begonnen. Die Veranstaltung hat ein ganz eigenen Charme, häufig wird das Feeling mit Tour de France an einem Tag beschrieben. Es waren 43 Teams am Start, so viele wie nie zuvor.

der Morgen
graut
Strecke 1. Sascha Velten führt. Keine Überraschung, ist er doch Lokalmatador und zuverlässiger ~32min-Läufer auf 10. Aber: dahinter klemmt jemand! Grosses Rätselraten: wer ist das? Und was für ein Team? Wie sich später herausstellt, sind das Kölner um Carsten von Kuk (~30min/10k) von der Deutschen Sporthochschule Köln, die für den Inkatrail 2005 in Südamerika üben wollen und ohne jegliche Streckenkenntnis und nur mit Karte bewaffnet den schwierigen Kurs angehen wollen. "Ich freue mich, dass meine Karten so begehrt sind", verrät mir Götz Feuerstein am Abend schmunzelnd bei der Siegerehrung, "das ist eine tolle Bestätigung meiner Arbeit".

»nur nach
Karte gelaufen«
Eine schnelle Truppe war dem RSV da also auf den Fersen, offenbar mal wieder ernsthafte Konkurrenz für die Remscheider. "Der hat sich einfach an mich drangehängt, ich dachte den krieg ich nicht mehr los", erzählte mir Sascha Velten. "Erst an der Staumauer hatte ich ein paar Meter dazwischen gekriegt, und als es dann scharf in den Wald rein ging, hat er mich wohl verloren". Das heisst: verlaufen. Ein Schicksal, dass die Kölner noch öfter ereilen sollte. "Wär der an mir dran geblieben, wären wir die vor der 5 nicht mehr los geworden, wer weiss wie das Rennen dann ausgegangen wäre."

»besser mehr gucken
als mehr laufen«
Aber auch Läufer mit Streckenkenntnis können sich verlaufen! Und so oft wie dieses Jahr ist das wohl noch nie vorgekommen. Wir mussten das direkt beim zweiten Verpflegungspunkt erfahren, als unser Frank Untermann nicht kam, aber dafür Leute, die gerade noch weit hinter ihm waren. Erst mit 5 Minuten Verspätung kam angerannt. "Wo kommst du denn her?!" rufen wir aufgeregt. "War noch Kaffee trinken", grinst er uns an. Das war wohl geflunkert. Ein geflügeltes Wort von Alt-Organisator Uwe "Stolperhexe" Hammermeister, der wieder vier Teams am Start hatte, ist: "besser mehr gucken als mehr laufen". Wie wahr. Aber auch wenn das W mit dem runden Kreis den Wanderweg ganz gut markiert: vollständig und an jeder Ecke darauf verlassen kann man sich nicht.

Übergabe
1 auf 2
Strecke 2. Die Ronsdorfer Talsperre. Gesperrt, dann nicht, dann vorne rum, dann aussen rum. Immer wieder ein Spass, gerade in den Tagen vor der Staffel. Diesmal hat s keinen mehr sonderlich gestört, man gewöhnt sich halt dran. Marc Röttger hat hier nochmal alles gegeben, er sah wirklich nicht so gut aus im Ziel. Ein paar schnelle waren aber auf der 2 eingesetzt, und mit der Verlauferei am Anfang waren wir zwischendurch also auf Platz 11 abgerutscht.

Übergabe
2 auf 3
Strecke 3. Stress! Hier war eigentlich Sebastian eingeplant, aber wenige Tage vor dem Start der Anruf: Knie kaputt! Man kann sich nicht ausmalen, was für ein Stress das ist, genau 10 Leute einzuteilen, Krankheiten, Termine, Formkurve usw. aller beteiligten zu organisieren, trösten, ermutigen, den Leuten, die "zuviel" sind, abzusagen, aber doch Ersatz in der Hinterhand ...
Am Freitag konnte ich dann noch Ole Rosentreter für die 3 gewinnen, der kannte die Strecke aber nicht! Samstag noch mit Mounti abgefahren, alles gefunden, klasse, auf Ole ist Verlass *puh* Recht kurze Strecke mit 6.5km, dafür fast nur bergauf. Und wie immer recht crossig und matschig.

»Kannst du noch
ne Etappe laufen?«
Besonders spannend war es im Ziel der 3 für unsere Mixed-Staffel, weil der 4-Läufer 2 Wochen in Urlaub war und nicht am Start stand *Stress!* Echter Adrenalin-Schuss für die Betreuer. Unser Mann kam dann aber.
Anders beim Uni-Team: Carsten Jablonski war schon für die 3 und die 5 eingeplant, seine Formkurve zeigte nach der HM 1:17 letztens wieder steil nach oben. So legte er am Ende der 3 noch einen klasse Endspurt hin. "Kannst du noch ne Etappe laufen? Pierre ist nicht da..." Carsten verdrehte nur kurz die Augen und startete nochmal richtig durch.

Übergabe
4 auf 5
Strecke 4 "Das Laufen ist kein Problem, ich laufe ja gerne", erzählte er mir nachher gequält. "Aber ich hatte mich so auf etwas zu Essen nach der 3 gefreut". Der 4-Läufer kam dann irgendwann, hatte verschlafen, wurde flugs zum Verpflegungspunkt auf der Hälfte der Strecke gefahren und konnte Carsten noch ein Teil der Strecke abnehmen, während der RSV ihn im Auto bis zum nächsten Wechsel mitnahm. Beim Wechsel fand sich dann auch im Auto eines anderen Teams ne Banane für Carsten.
Das zeichnet Rund um Wuppertal aus: obwohl der Wettkampf prestigeträchtig ist und sich kein Läufer etwas schenkt, geht es am Rand der Strecke immer sehr familiär zu, alle Teams unterstützen jeden Läufer, wo es nur geht.

»Es gibt auch
Verletzungen...«
Durch das schwierige Gelände, Wurzeln, rutschigen Untergrund und persönlicher Einsatz im Laktatnebelbereich kommt es auch immer wieder mal zu Stürzen. Pierre wollte seinen verpassten Start wieder gut machen und gab alles. Dabei fiel er unglücklich, rammt sich einen Ast in den Arm. Im Ziel konnte die tiefe Schnittwunde erstmal verarztet werden, wieder durch Helfer anderer Teams. Auch ein Läufer der LLG Haan Hilden stürzte anfangs schwer und musste in Krankenhaus. Bei beiden hätte es aber schlimmer kommen können - gute Besserung an dieser Stellle!
Jürgen Zilian, der sich auf der 4 letztes Jahr einen unschönen Bänderriss zugezogen hat, wurde diesmal zu Trauma-Behandlung wieder auf die 4 geschickt. Er hat die Aufgabe gut gelöst.

Verpflegung
Rutenbeck
Strecke 5 Inzwischen wurden immer mehr 7-Uhr-Starter eingeholt. Die eigene Platzierung war nicht mehr auszumachen. Liefen wir gerade um Platz 10 oder Platz 5? Egal. Unser Doppelstarter Benjamin Lehmbach kam jetzt zum Einsatz. Und der ging ab! Seine 48:30 auf bergigen 13km sind schon eine Hausnummer. Angeblich hat selbst Arnd Bader (Ma 2:26) einige Sekunden mehr gebraucht. Auf alle Fälle wurde hier fleissig überholt. Ich selbst war mit Verpflegung, Fotografieren, Getränkereichen, Navigieren, Leute kurz sprechen, Auto wechseln usw. vollauf beschäftigt. Immerhin war ich gleich selber dran!

SF Krücken
Neben den Kölner gab es noch ein verrücktes Team: die Remscheider waren zu fünft angetreten, jeder lief gleich 2 Strecken. Das verrückteste Team waren aber diesmal für mich die Krücken, die die 105km zu dritt bewältigten: Oliver Lübke, Martin Czernik und Heiko Mann starteten um 7Uhr, lieferten sich einen heissen Fight mit der Firmenmannschaft Dupont1 und kam 2Sekunden(!) vor ihnen als erste Mannschaft ins Ziel. Mit 7:43 belegten sie damit den hervorragenden Gesamtplatz 6!
»Es war ein ganz
besonderes Erlebnis«
"Für jeden gab es drei Strecken, die zehnte wollte aber keiner mehr haben", sagte Oli Lübke im Ziel. "Da haben wir sie durch drei geteilt: für jeden noch ein Stückchen. Die Beine tun jetzt weh, aber es war ein ganz besonderes Erlebnis!"
"Es war zum verrückt werden", erzählte mir Dupont-Teamführer Dirk Ostra lachend. "Kaum hatte unser Mann auf der 10 die wieder überholt, kam ein neuer von denen auf die Strecke und preschte vorbei. Der tat mir echt leid. Unter normalen Bedingungen wär das nicht in Ordnung gewesen, aber bei dem, was die 3 Jungs hier geleistet haben: Respekt!"

Papa Olzo
in Action
Strecke 6 *Schwups* Schon war ich auf der Strecke. Erstmal keulen was das Zeug hält, vielleicht ist ja urplötzlich doch so gut drauf wie früher ... einige Minuten vor mir waren Damir Plesnik (Erst-Ma sub3h) für Uni und Jörg Uibel (früher mal 30min-Läufer) für SF Ennepetal gestartet, beides Teams die mit uns die letzten Jahre um Platz 3 gekämpft haben. Die werde ich wohl nicht mehr einholen können...
Trotzdem versucht man es natürlich. Wenigstens mal sehen. Immerhin bin ich hier vor 18Jahren mal ne 45 auf den 11.3km gelaufen. Ich überhole und überhole, 7 Leute insgesamt, aber die beiden kommen natürlich nicht in Sicht. Sie sind ganz locker ne 44 gelaufen und haben sich die ganze Zeit unterhalten. Zwischendurch treffe ich eine Frau mit Fahrradbegleitung, sicher eine gute Lösung, wenn man den Weg nicht genau kennt.
»die Apfelschorle
hat mich gerettet«
Hinter mir war Udo Rüther gestartet vom LTC Schwelm, ebenfalls direkter Team-Konkurrent. Er hatte mich die ganze Zeit in Sichtweite, ich darf aber verraten, dass er mich nicht gekriegt hat. In Schöller nach dem Berg stand nämlich der Frank Lämmlein von den ETGler und bot mir Apfelschorle an, und ich nahm dankend einen Schluck. Das trockene Gefühl im Rachen verschwand, und ich bildete mir ein, neue Energie getankt zu haben. "Mir hat er das auch angeboten, aber ich hab s leider nicht genommen", sagte mir der Udo später. So konnte ich meinen Vorsprung in Ziel retten, immerhin 48:30. Danke, Franz!

Wechsel
7 auf 8
Strecke 7 Ich übergebe auf Klaus Lehmbach, M55 und immer noch für eine 35-37 auf 10 gut! Ich selber springe ins Auto und wir hetzen zum nächsten Verpflegungspunkt. Die sind übrigens alle selbst organisiert; das ist keine Grossveranstaltung, wo der Ausrichter für alles sorgt. Handarbeit ist gefragt. Gerade noch erwischen wie unseren Mann beim Überholen der Konkurrenz. Ha! Die Platzierung ist immer noch nicht klar, wir müssten hier so ungefähr auf 5 gelegen haben: RSV uneinholbar, Ennepetal, Uni, Köln noch vor uns. Der LCK wollte dies Jahr nicht vorne mitspielen, die hatten einiges auf Mixed gesetzt, aber der RSV ebenfalls.

der Griff
nach Wasser
Strecke 8 Wir nähern uns langsam dem Ende, das Feld ist auseinander gezogen. Mathias Trabitsch läuft locker los, aber davon darf man sich nicht täuschen lassen: HM 1:28 spricht für sich. Pfadfinden ist für ihn kein Problem, er ist die letzten Jahre schon auf der 8 im Einsatz. Das sind für die Betreuer die angenehmsten Teilnehmer: "Wieder deine Strecke?" "Klar." Wenn sich alles so einfach organisieren liesse!
An der Horather Schanze gibt es neuer Wasser und wird altes gelassen, auf der Strasse versuche ich die Autos anzuhalten, wenn ein Läufer kommt. Fast hätte mich dabei ein Auto überfahren und den Olaf Stutzenberger (SF) fast noch dazu. Manche Leute fahren eben lieber mit 150 Sachen in die Böschung als mal 2s abzubremsen.

letzter
Wechsel
Strecke 9 Auf der 9 kommt Benjamin Lehmbach wieder zum Einsatz. Trotz der Strapazen der 5 geht er die Strecke mit einem Sprung über die Absperrung forsch an. Und obwohl er sich schlapp fühlt, überholt und überholt er. Wir warten oben auf dem Berg vom Golfhotel Juliana. Die Unileute geleiten wir ebenfalls dorthin. Später nehmen wir noch jemanden mit. "Kann ich auch mitfahren?" wird jetzt immer häufiger gefragt. Der Hin- und Rücktransport ist nicht immer 100%ig durchorganisiert, häufig findet sich spontan etwas. Viele entscheiden sich auch erst nach ihrer Strecke, noch etwas auf der Tour mitzufahren, um die tolle, dichte Atmosphäre zu atmen.
Völlig ausgepumpt kommt Benjamin kurz vor den Kölnern zum Wechsel, mit einer tollen Zeit!

endlich
im Ziel
Strecke 10 Die letzte Etappe. Beim Betreuungspunkt liegt Daniel Arzani auf Platz 2 - was wir dort aber noch nicht wissen. Direkt dahinter aber ein weiter Läufer, Max Zarges von LTC Schwelm, wie wir später erfahren. Auf der Fahrt zum nächsten Punkt kommt uns irgendwo weitab der Strecke Carsten von Kuk (Köln) entgegen, suchend mit Karte in der Hand. "Dort hinten geht s lang, und dann rechts hoch!" rufen wir ihm zu.

»dort hinten
geht s lang«
Im Ziel kommt dann tatsächlich Daniel angestürmt, keine Minute dahinter Schwelm. "Ihr seid Zweiter", sagt jemand, und wir können es nicht glauben. Damit war zwischendurch wirklich nicht zu rechnen. Und fast im Minuten kommen die Teams hinter uns. Und dann kommt der Wolkenbruch. Der war eigentlich für das ganze Wochenende angesagt, überhaupt hatten wir das ganze Jahr bisher eigentlich nur Regen gehabt. Aber der Wettergott hatte es heute gut mit den Läufern gemeint und bis ins Ziel gewartet. Dafür kam jetzt alles runter, was an einem Tag gesammelt wurde. Die Unterhaltungen waren dann ziemlich gedrückt, jedenfalls waren die Leute gedrückt, nämlich in Hauseingänge.

Sieger-
ehrung
Inzwischen war es nach 16Uhr, die Mixed-Staffel in guter Zeit und mit 3. Platz im Ziel, aber der Stress war noch nicht vorbei. Mitfahrgelegenheit organisieren, Leute zusammenquetschen, unterhalten, unterhalten, schnell zurück, verabreden, duschen, essen klappt leider nicht mehr so, da sind sie schon wieder, schnell noch Leute abholen und einladen, um pünktlich im 18:30 zur Siegerehrung da zu sein. Wobei die Siegerehrung gar nicht so wichtig ist, vielmehr die Freigetränke und die Gespräche mit all den Aktiven, für die man den ganzen Tag kaum Zeit hatte und jetzt eigentlich auch nicht so richtig. Trotzdem war s dieses Jahr wieder ganz besonders schön!